Ein ehrliches Handwerk

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Seit zehn Jahren verhilft Coiffeur Kai Zorn in Tägerwilen seinen Kunden zu ihrem ganz persönlichen Look. Sein beliebter Salon wurde zur Begegnungsstätte für Menschen aus der ganzen Ostschweiz.

Kai Zorn steht vor seinem Salon und winkt strahlend seiner nächsten Kundin zu, die gerade um die Ecke biegt. Seine Offenheit dem Neuen gegenüber brachte den gebürtigen Ludwigsburger nach Tägerwilen. Er lässt sich nämlich gerne auf Chancen ein und verfolgt in seinem Salon eine ganz eigene Philosophie:

«Bei mir gibt es ein ehrliches Handwerk. Ich bin kein Künstler, sondern Handwerker und Dienstleister.»

Seine Einstellung kommt gut bei den Kunden an, die für einen neuen Haarschnitt aus der ganzen Ostschweiz und dem nahen Ausland anreisen. Das Interieur ist minimalistisch gehalten, die Spiegel sind so bemessen, dass die Kunden nur ihr Gesicht darin sehen und nicht, was hinter ihnen alles geschieht. Die Schneidplätze sind platzsparend in einer Reihe angeordnet und Schnick-Schnack wie Dekoartikel sucht man vergeblich. Man merkt schnell: Der Fokus liegt im Salon ganz auf der Arbeit. «Jährlich kommen neue Scheren sowie Haarprodukte auf den Markt und werden als wahre Wundermittel angepriesen.» Kai Zorn bleibt seinem Werkzeug aber stets treu und vertraut auf die Mittel, welche dem Haar nur das geben, was es schon immer braucht: Proteine, Mineralien, Pigmente, Fett und Feuchtigkeit.

«Wir leben in einer so bunten Welt, in der es keine Grenzen gibt. Wir können unsere Haare so tragen, wie es uns gefällt und die Gesellschaft akzeptiert es. Viele uniformieren sich aber immer noch, um einem Trend nachzujagen.»

Vielmehr solle man laut dem Coiffeur aber sein eigenes Ding machen und sich mit einem individuellen Look verwirklichen. «Wer Bock darauf hat, ist bei mir herzlich willkommen », sagt er und lacht. Kai Zorn bezeichnet seinen Salon gerne als Begegnungsstätte. So finden die unterschiedlichsten Menschen den Weg zu ihm. «Ich habe wunderbare Kundinnen, die mir während dem Haareschneiden ihre Geschichten aus der Nachkriegszeit erzählen oder kleine Gäste wie die 5-jährige Mia, die mir von ihrer bevorstehenden Geburtstagsparty berichtet.» Auch konnte Kai Zorn schon oft als Vermittler einspringen. «Nach zehn Jahren kennt man seine Stammkundschaft sehr gut. Und wenn dann jemand zum Beispiel auf der Suche nach einem Maler oder einem Studenten für einen Aushilfsjob ist, kommt mir meistens jemand in den Sinn, den ich fragen könnte.» Menschen miteinander zu verbinden, während er seiner grossen Leidenschaft nachgeht – das sei doch das Schönste auf der Welt.

Thurgau TOP20 / Oktober 2020